Einleitung
Die Ösophagusmanometrie ist die geeigneste Methode, Störungen der motorischen Funktion des ösophaguscorpus ebenso zu erfassen, wie die Funktion der beiden Sphinkteren (Schließmuskel) des ösophagus. z. B. im Rahmen der Refluxkrankheit oder bei der Achalasie (Schluckstörungen) . Auch elektrophysiologisch bedingte Störungen der motorischen Speiseröhrenfunktion im Rahmen primär neurologischer Erkrankungen sowie bei sekundären neurologischen Phänomenen wie beim Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) sind mit Hilfe der manometrischen Untersuchung qualitativ
und quantitativ zu diagnostizieren.
Einen festen Platz hat die ösophagusmanometrie auch im Rahmen der dermatologischen Diagnostik.
So ist bei der progressiven systemischen Sklerose eine intestinale Beteiligung und sogar bei Verdacht auf das Vorliegen einer Sklerodermie die Diagnose selbst oft vor anderen diagnostischen Maßnahmen positiv. Daneben ist die manometrische Untersuchung der Speiseröhrenfunktion als Verlaufskontrolle bei den unterschiedlichen Funktionsstörungen der Speiseröhre von hohem diagnostischen Wert.
In der Differentialdiagnostik hat die ösophagusmanometrie ihren festen Platz bei der Abklärung unklarer Thoraxschmerzen. Auch der therapeutische Effekt dilatativer und operativer Behandlungsmaßnahmen bei Patienten mit Achalasie oder Refluxkrankheit läßt sich mit Hilfe der Manometrie einfach und ohne wesentliche Belastung für den Patienten nachweisen. Neben der diagnostischen Manometrie ist auch die pharmakologische Prüfung motilitätswirksamer Medikamente am ösophagus ein Feld der ösophagusmanometrie geworden. Hierdurch lassen sich Wirksamkeit und Wirkdauer von motilitätsfördernden sowie motilitätshemmenden Pharmaka leicht und genau analysieren. Mit der Entwicklung von Festspeichern, die langzeitmanometrische
Untersuchungen auch ambulant erlauben, ergibt sich die Möglichkeit, künftig auch über circadiane motorische Abläufe im ösophagus eine Aussage zu machen. Im folgenden wird anhand von Beispielen der Einsatz der ösophagusmanometrie bei der Diagnostik von benignen ösophaguserkrankungen dargestellt.
Die Verwendung der Begriffe „Hiatushernie“ und ,,0esophagitis“ als Diagnose oder als Indikation zu operativen Eingriffen, wird durch die Tatsache gefördert, daß diese beiden Befunde zuverlässig durch röntgenographische und endoskopische Untersuchungs-Methoden zu erheben sind. Die Verwendung dieser Befunde als Diagnose förderten jedoch in der Vergangenheit die Verwirrung beider Diagnosestellung der gastrooesophagealen Refluxkrankheit. Letztere kann sich durch spezifische Symptome (Sodbrennen und Regurgitation) oder mehr unspezifische Symptome (chron. Husten, Odynophagie, Dysphagie, epigastrische Schmerzen, retrosternale Krämpfe) klinisch äußern. Wie aus dieser Symptomvielfalt leicht zu erkennen ist, bereitet also bereits
die klinische Definition der gastrooesophagealen Refluxkrankheit nicht wenige Probleme.
Früher wurde zur Nachweis der Hiatushernie eine Radiografie mit dem einmaligen Nachweis eines Kontrastmittelrückflusses beim Patienten in Kopftieflage. Diese Nachweismethode
der Erkrankung hat sich jedoch als insuffizient erwiesen, obwohl die Hiatushernie bei Refluxkranken in 80% vorkommen kann.
Eine weitere Möglichkeit bietet die Definition der gastrooesophagealen Refluxkrankheit mit Hilfe der Endoskopie. Eine Veränderung der Schleimhaut, im Sinne einer Oesophagitis
würde dann gleichbedeutend sein mit dem Nachweis der Erkrankung. Bei der hohen Prävalenz der gastrooesophagealen Refluxkrankheit wird man jedoch schnell feststellen,
daß etwa 1/3 der Patienten mit klinischer Refluxkrankheit keine Oesophagitis aufweisen.
Die Sensitivität der endoskopischen Untersuchung zum Nachweis der gastrooesophagealen Refluxkrankheit ist also ebenfalls limitiert, wenn auch die Spezifität sehr hoch ist . Die Tatsache mindert in keinster Weise die wesentliche Bedeutung der Endoskopie bei der Abklärung der morphologischen Veränderungen in der Speiseröhre und im Ausschluß maligner Erkrankungen.
Autoren, die zur Definition und zum Nachweis der gastrooesophagealen Refluxkrankheit das Ergebnis der 24-Stunden-Oesophagus-pH-Metrie als alleinigen „Goldstandard“ heranziehen, müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, daß auch diese Methode die Gefahr von falschnegativen und falschpositiven Ergebnissen birgt . Tatsache ist jedoch, daß mit Hilfe der 24-Stunden-Oesophagus-pH-Metrie direkt die Säurerefluxphasen in der Speiseröhre gemessen werden können. Betrachtet man die gastrooesophageale Refluxkrankheit als eine Funktionsstörung des oberen Gastrointestinaltraktes, so liegt es nahe, diese Erkrankung zu definieren als den Rückfluß von Mageninhalt in die Speiseröhre in abnormal großen Mengen, oder in abnormaler Zusammensetzung.
Die Ursachen für dieses Ereignis können vielfältig sein. Folgt man diesem Gedanken, so ist eine Oesophagitis bereits eine morphologisch sichtbare Komplikation der zugrundeliegenden Funktionsstörung. Diese Argumentation wird von den Untersuchungen von Sonnenberg et al. gestützt, die auch nach Abheilung einer endoskopisch sichtbaren Oesophagitis persistierende pathologische Zeichen bei histologischen und funktionellen Kontrolluntersuchungen nachwiesen.
Damit hat der Nachweis eines krankhaften Ausmaßes an gastrooesophagealem Reflux, der sich gegenüber dem physiologischen Reflux, den man in einem Probandenkollektiv messen kann, deutlich unterscheidet, den höchsten Stellenwert bei der Diagnosestellung. Dabei muß im Auge behalten werden, daß falsch negative und falsch positive Ereignisse bei der 24-Stunden-Oesophagus-pH-Metrie vorkommen können, bedingt durch technische Fehler, eine Stenose distal der pH-Sondenplazierung, die einen weiteren Reflux nach proximal verhindert und eine alkalische Komponente im Refluat. Letzteres läßt sich durch die Kombination von Oesophagus-pH-Metrie und Magen-pH-Metrie nachweisen oder ausschließen.
Die Erfahrung der letzten 20 Jahre mit der 24-Stunden-Oesophagus-pH-Metrie zeigt, daß es sich bei dieser Methode um eine einfach durchzuführende Untersuchungsmethode handelt, die wertvolle Informationen über den Nachweis der gastrooesophagealen Refluxkrankheit liefert und wesentlich bei der Auswahl der geeigneten Therapie beitragen kann.